WIR KASSANDRA
Tanztheater von Gundula Peuthert und Heike Mirbach, Uraufführung
Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau, 2009/10
„Was die Ausstattung der (…) Heike Mirbach betrifft, so ist diese spürbar durchdacht und spielerisch ausfabuliert. Segmente einer Kreisform werden da zu Wiegen, Pulten, Wänden, die Musiker sind vor einer irritierend spiegelnden Folie platziert oder kreisen über der Szene wie die Figuren der Prager Rathausuhr. An Ideen mangelt es nicht, und auch das Bild mit der schwebenden Kassandra, den balancierenden Tänzern im Kreisrund, den Abstürzenden ist eine Metapher mit vielen möglichen Deutungen.“
„In der Aufführung und das wird mit ähnlichen wie auch variierenden Kostümen sowie mit vergleichbar gehandhabten Maskenbildnern deutlich, erreicht jeden irgendwann dieses „Wir Kassandra“, herausgehoben oder vereint durch markante, wogende, sich verfitzende lange, helle Schnurperücken, die in jeder Bewegung schwer zu bändigen sind. Sie werden zum Symbol für die Seherin, zur Handhabe, um ihr daraus eine Schlinge zu drehen, sie als Marterinstrument zu nutzen oder beruhigend, disziplinierend damit einen Zopf zu flechten“ (Gabriele Gorgas – Dresdner Neueste Nachrichten)
„Was für eine großartige Idee, den Umgang mit drohenden Katastrophen darzustellen. „ Die Bühnenwelt der Ausstattung von Heike Mirbach ist zweckdienlich und gediegen.“ (Uwe Salzbrenner – Sächsische Zeitung )
„Ein großes Schauvergnügen bieten die 20 Szenen jenseits der Botschaft: Im raffiniert veränderbaren Bühnenbild von Heike Mirbach finden die charaktervollen Tänzer ein effektvolles Tableau für eine reiche zeitgenössische Tanzsprache, die Pantomime und Schauspiels und Alltagsgesten in sich aufnimmt.“ (Lutz Kirchner – Freie Presse)
Eine der bekanntesten Figuren der griechischen Mythologie ist Kassandra, die vom verliebten Apollon die Gabe der Vorhersehung geschenkt bekam – um sie zu verführen. Als sie aber von ihm nichts wissen wollte, fügte er seinem Geschenk den Fluch hinzu, dass niemand ihr jemals glauben würde. Wirklich niemand? Was ist mit Kassandra selbst? Hat sie ihren eigenen Warnungen geglaubt, oder ist der Fluch des Liebeswütenden Gottes wörtlich zu verstehen: niemand? Falls Kassandra selbst von ihren Prophezeiungen nichts gehalten hat, können wir von der Figur eine beklemmende Parallele zur Gegenwart ziehen.
Man stelle sich einen modernen, göttlichen Fluch vor, der uns alle betrifft: wir alle kennen die Gefahren, die uns bedrohen, wir alle warnen davor – und wir alle glauben unseren eigenen Worten nicht. Man schlage die Zeitung auf und lese von Klimawandel, Umweltzerstörung und Grüner Gentechnik. Vom Ende der Energieträger, von Überbevölkerung und von durch Terror ausgelösten Kriegen. Kaum einer unter uns, der nicht die Warnungen kennt, weiterträgt und wiederholt. Und kaum einer, der sie wirklich ernst nimmt. Wer glaubt schon alles, was in der Zeitung steht? Wir jedenfalls nicht. Wir stimmen nur zu.
Das Tanzstück WIR KASSANDRA greift diesen Gedanken auf und spielt mit der Vorstellung, es könne tatsächlich unser aller Schicksal, vielleicht sogar unsere Bestimmung sein, sehenden Auges in den Untergang zu laufen und gleichzeitig uns gegenseitig vor diesem Untergang zu warnen. Der gewissermaßen als These einer „wissenschaftlichen“ Untersuchung gemeinte Titel scheint auf den ersten Blick weit hergeholt, erweist sich aber als durchaus denkbares Szenario in einer Realität, deren vielzitierte Globalität durchaus auch als Bedrohung begriffen werden muss. Wie es sich für eine ernsthafte Untersuchung gehört, wird auch die Gegenthese betrachtet und auf Haltbarkeit untersucht. Das Ergebnis der Versuchsreihe muss aber jeder für sich selbst finden…
PRESSE:
TEAM:
Inszenierung, Choreografie, Stückentwicklung: Gundula Peuthert
Ausstattung, Stückentwicklung: Heike Mirbach
Film: Gundula Peuthert, Veikko Göhlig
Animation: Veikko Göhlig, Andreas Vent-Schmidt
Einstudierung Jonglage: Marcin Poloniewicz
Fotos: Nicolay Schmidt
Tanztheater Görlitz