FÄHRMANN
Tanztheater, Gundula Peuthert und Heike Mirbach, Uraufführung
Theater Hagen, 2021/22
Bühne und Kostüm: Heike Mirbach
Stückentwicklung zusammen mit Gundula Pheutert
“ Gänsehaut und Standing Ovations. (…) Das Tanzstück „Fährmann“ (…) thematisierte den Übergang vom Diesseits ins Jenseits, Rituale und Mythologie.“ (Funke Medien 2021)
Zum Stück:
In unserem Stück „Fährmann“ verdichtet sich eines der großen Themen der Menschheitsgeschichte – der Übergang vom Diesseits ins Jenseits. Eine Reise ohne Rückkehr, unausweichlich, gefürchtet, mit Angst besetzt, aber gleichzeitig auch als verheißungsvoll erwartet.
Uns haben Fragen beschäftigt wie: was folgt dem physischen Ableben? Wie zelebrieren, feiern, trauern, erleben wir diese transistorische Zeit? Was bleibt von uns? Sind das Wissen und die Akzeptanz des eigenen Todes am Ende vielleicht dass, was uns zu menschlichen Wesen macht?
In unserer Stückentwicklung ist die prägnanteste Rolle der Fährmann. Eine Figur wie der griechische „Charon“, die in unzähligen Sagen und Mythen verschiedener Kulturen der Welt beschrieben wird. Der Fährmann bringt die Toten über den Fluss in die Unterwelt. Er ist unbestechlich. Nur diejenigen, die die Bestattungsriten erhalten und ihre Überfahrt mit einer Münze, dem Obolus, bezahlt haben, dürfen die Fähre betreten. Auf seinen endlosen Fahrten muss sich Charon immer wieder die Geschichten der Menschen anhören, die vom Leben in den Tod gehen. Er selbst lebt in einer unbestimmten, zeitlosen Zwischenwelt und scheint emotional nicht involviert zu sein. Auf der Bühne ist der Fährmann omnipräsent. Die Menschengruppen interagieren mit ihm in wechselseitigen Zuständen von Macht und Ohnmacht, Aktion und Reaktion, Angst und Hoffnung, Wut und Hass. Die Schicksale der einzelnen Protagonisten werden tänzerisch und emotional erkundet, ebenso wie die gruppendynamischen Prozesse untereinander. Jedes der zwölf Individuen ringt in diesem Stück mit seiner Endlichkeit. Der Fährmann hingegen beginnt im Laufe unserer Geschichte mit seiner eigenen Endlichkeit zu ringen. Das Stück „Fährmann“ erkundet das große Thema Leben und Tod mit subtilem Humor und Momenten der Liebe – denn ohne die beiden wäre für uns die Tragik des Lebens und Sterbens nicht zu ertragen.
Zur Ausstattung:
Die Bühne wird von zwölf Stehlen beherrscht, welche anfangs aus dem Schnürboden auf die Szene schweben. Sie sind unterschiedlich groß. Manche wirken wie aus Beton, manche wie aus Granit. Jedem Tänzer ist ein Quader zugeordnet. Aus ihnen bauen sich die Tänzer Station für Station ihrer gemeinsamen Reise das Bühnenbild. Die Stehlen können mannigfaltige Formen annehmen. Daraus werden unter anderem: Kriegswerkzeuge, Gräber, eine gigantische Uhr, archaische Kultstätten, Mauern, Inseln, anbetungswürdige Monumente…und noch viel, viel mehr. Das alles in einem sich stetig verändernden, dynamischen Prozess, live vor den Augen der Zuschauer.
Die Kostüme der Gruppe symbolisieren einen heutigen Querschnitt unterschiedlicher Gesellschaftsschichten. Der graue Farbverlauf in den Kostümen und das zunehmende Ergrauen der Haare der Tänzer symbolisieren das fortschreitende Entweichen des Lebendigen aus den Körpern. In der ersten und in der letzten Szene tragen die Protagonisten durchsichtige, glänzende Regenmäntel die für Anfang und Ende des fluiden Transformationsprozesses stehen.
Im Verlauf der Geschichte kommt auch der Tanz der Derwische vor. Unsere Menschen-Tänzer drehen sich in typischen großen, schwingenden Röcken wie berauscht über die Bühne. Das persische Wort „Derwisch“ bedeutet „auf der Türschwelle Stehender“. Ihr ekstatischer „Tanz zwischen Himmel und Erde“ lässt Derwische in religiöse Ekstase verfallen. Man sagt, sie würden so mit dem Ewigen in Kontakt kommen.
Im altgriechisch bedeutet „Charon“ übersetzt „der mit den funkelnden Augen“. Der Tänzer bzw. die Tänzerin der/die unseren Fährmann verkörpert, ist mit einem dunklen, langen Mantel bekleidet. Er erinnert an einen wehenden Schifferkittel. Innen ist er silbern, in Analogie zum Mond Charon, einem der Monde des Pluto. Außen hat der Mantel einen Verlauf von schwarz zu weiß. Als Stellvertreter des Universums trägt der Fährmann sowohl den Tag als auch die Nacht in sich. Seine sehr langen, fließenden weiß-grauen Haare symbolisieren den Lauf der Zeit….und natürlich hat er glänzende, leuchtende Augen… Nomen est Omen.
Team – Credits:
Regie, Choreografie, Stückentwicklung: Gundula Peuthert
Bühne, Kostüme, Stückentwicklung: Heike Mirbach
Licht: Martin Gehrke
Dramaturgie: Waltraut Körver
Choreographische Assistenz: Amber Neumann
Fotos: Heike Mirbach, Kerstin Mauersberger und Leszek Jaskinuszew
Ballett Hagen Tänzer:
Filipa Amorim
Gennaro Chianese
Alexandre Démont
Riccardo Maria Detogni
Julie Endo
Ciro Iorio
Noemi Emanuela Martone
Antonio Moio
Beatrice Panero
Sara Peña
Dario Rigaglia
Andrea Schuler
Suzanne Vis